Oblast Tschernihiw

Heute Morgen ging es mit Lunchpaketen bestückt etwas zeitiger auf die Strecke in der Erwartung auf einen recht langen und anstrengenden Tag. In dieser Erwartung wurden wir auch nicht enttäuscht. Da ein direkter Grenzübertritt von Weißrussland nach Russland nicht möglich ist, waren wir zu einem Umweg über die Ukraine gezwungen. Dieser Umstand setzte uns natürlich gleich zwei Grenzübertritte auf das Programm. Zunächst lenkte ich den Bus nach Süden aus Homel direkt zur ca. 80 km entfernten Grenze zur Ukraine. Die Strecke selbst hatte wenig spektakuläres zu bieten. Nach der negativen Erfahrung vom letzten Grenzübergang war ich wenig Hoffnung einer reibungslosen Aktion. Zwei Stunden später war ich doch recht angenehm überrascht und rollte weiter auf Tschernobyl zu. Am hiesigen Einkaufszentrum erledigten wir unsere Bedürfnisse und orderten noch ukrainisches Bier. Anschließend schlugen fast eine Kehrtwendung und steuerten gegen Nordosten zum Grenzübergang nach Russland. Etwa 200 km Ukraine, toll. Von den schönen Seiten der Ukraine, von denen uns Alexander leidenschaftlich berichtete bekamen wir nicht viel mit. Naja, bis zum Schwarzmeer wäre der Umweg doch etwas größer geworden.

Die Mühlen des Grenzüberganges zu Russland mahlten etwas langsamer, aber auch diesen haben wir etwa 5 Stunden später geschafft. In Anbetracht der Tatsache, dass wir noch knapp 400 km bis zum Hotel in Orjol vor uns hatten, fand ich die späte Nachmittags- vielmehr frühe Abendstunde schon deprimierend. Was soll‘s? Wir waren drauf vorbereitet und nun guter Dinge, mit zwei Pausen problemlos zum Hotel zufahren. Da hatten wir noch nicht mit der Polizeikontrolle nach etwa 5 km in Russland gerechnet. Und wenn man denkt, man hat nichts verkehrt gemacht und somit auch nichts zu befürchten, liegt man auch wieder falsch. Nur ein kleiner Formfehler in unseren Dokumenten, die ich auch noch selbst ausgefüllt hatte, sollten mich dann doch 100.000 Rubel (etwa 1.400 €) kosten. Noch zunächst an einen schlechten Scherz glaubend sah ich dieser Sache irgendwie entspannt entgegen. War ja auch noch recht „früh“ am Tag. Letztendlich sorgten ein ungeheuerliches Verhandlungsgeschick unserer uns inzwischen begleitenden russischen Guides und vielleicht auch ein wenig ein paar richtige Antworten zur richtigen Zeit meinerseits dazu, dass mein Versehen nur als solches angesehen wurde. Höflich bedankte ich mich mit drei Flaschen Bier und sah zu, dass wir weiter kamen.

Endlose Straßen

Geistig alles schnell abgehakt ergaben wir uns über die Landstraße gleitend einer wunderschönen abendlichen Idylle in endloser russischer Landschaft bis die Dunkelheit meine erhöhte Konzentration abverlangte. Immer hinter unserem Begleitfahrzeug hinterher tilgten wir Kilometer um Kilometer, wobei diese immer länger zu werden schienen.

Endlich, Orjol in spürbarer Nähe, nur noch 30 km zum Hotel, gleich geschafft …. wenn da nicht eine Polizeistreife der Ansicht gewesen wäre, dass ich an irgendeiner Stelle bei irgendeinen Überholvorgang eine geschlossene Linie überfahren hätte und diese das als sehr schweres Verbrechen deklarierte. Laut Vorwurf war auch der Fahrer unseres vorweg fahrenden Begleitfahrzeug ebenso ein Schwerverbrecher, aber nur von mir wollte man Führerschein, Fahrzeugpapiere und Pass. Das übliche halt. Es gibt Momente, da möchte man den Busschlüssel nur noch ganz weit weg werfen.
Besonnen lauschte ich der schier endlosen und scheinbar völlig vom Thema abgekommenen Diskussion unserer Guides und den Uniformierten, obwohl ich kein Wort verstand. Zwischendurch wurde mir noch mal übersetzt, wie schwer doch mein Verbrechen ist. War mir inzwischen auch beinahe egal, ich wollte nur noch in mein Hotelzimmer. Etwa eine halbe Stunde später, 80 Dollar ärmer, 3 Flaschen Bier als Danksagung für die Rückgabe meiner Papiere schlich ich förmlich bis zum Hotel. Dieses hatte nachts um zwei sogar noch mit einem opulenten Büffet aufgewartet. Ich gab mich lediglich mit einem Bier zufrieden.

Meine Bewunderung gilt auch unseren Reisegästen, die den ganzen Tag und die ganzen mehr oder weniger nachvollziehbaren Aktionen so diszipliniert und doch recht gutgelaunt erduldet haben. Naja, Rainer weiß halt Vodka und Becherovka sinnvoll einzusetzen.
Daniel und Mateo waren mit dem zweiten Bus knapp eine Stunde früher am Hotel, da diese sich ablösen und somit etwas Pausenzeiten variabler gestalten konnten.